41. Blog - Shaolin Tempel Yunnan, China - Mach Deine Runde fertig!

Sitze auf einer Mauer im Shaolin Tempel. Es ist dunkel. Nur die eine Kerze brennt noch. Es weht ein sanfter Wind, die ersten Frühlingsblätter des Feigenbaums tanzen im Wind. Das mächtige, braunrote Eingangstor ist zu. Alle sind auf den Holzpritschen und gönnen den Muskeln und dem Geist Ruhe. Mein Geist schaufelt die Gedanken hin und her, er schaufelt sie vom Grosshirn ins Kleinhirn und zurück. Hab versucht die Schaufel zu finden, aber er versteckt sie zu gut, wohl hinter den hintersten Hirnzellen.

 

Ich geniesse die Stille und das Alleine dasitzen vor dem Tempel. Das Traditionelle Dach ist gebogen, der Mond scheint auf die Ziegel. Dieser Ort ist einfach anders. Dieser Ort strahlt eine besondere Kraft aus. Dieser Ort ist geerdet. Einen Monat durfte ich hier im Shaolin Tempel leben, essen, trainieren und lernen. Lernen für’s Leben. Das 7-stündige Training pro Tag brachte mich an meine körperlichen Grenzen. Ganz klar. Das tägliche Stretchen hat meinen Körper spürbar flexibler gemacht. Alle machten wir unsere Runden im Tempel. Hunderte von Runden. Kicks. Auf allen vieren gehen. Hüpfen. Rennen. Eine Liegestütze, einen Schritt, eine Liegestütze. Mit ausgestreckten Armen gefüllte Wasserkübel tragen.

Die Muskeln brennen. Die Hüfte zwickt. Die Schultern sind müde. Die Knie bleischwer. Ich bin kaputt. Unser Meister Shi Yan Jun – 34th Generation Shaolin Warrior, Monk oft he Shaolin Temple – sagt zu mir: «Das ist ganz normal, dass alles schmerzt. Neue Muskeln werden gebildet, Muskeln die Du zuvor noch nie oder sehr selten gebraucht hast. Das Geheimnis zur Besserung…geh hindurch! Los mach jetzt deine Runde fertig! Und mach sie richtig fertig!». Das ist es. Wie angewurzelt stehe ich da, mein Puls steigt an und ich realisiere, dass ich in diesem Moment etwas ganz Wichtiges gelernt habe. Etwas Wesentliches. MACH DEINE RUNDE FERTIG! MACH SIE RICHTIG FERTIG! Und ich sehe nicht mehr die eine Runde hier im Tempel, nein ich sehe die Runden in meinem Leben. Einige Runden habe ich bereits gemacht. Unbewusst habe ich Runden richtig fertig gemacht mit viel Herz und voller Energie, andere Runden habe ich abgebrochen oder habe sie gemütlich genommen und da warten noch ganz andere Runden auf mich. Alle machen wir unsere Runden. Vielleicht ist das jetzige Leben eine Runde? Das muss jeder für sich selber wissen. Aber ich weiss jetzt, dass es in meiner nächsten Runde nicht reicht das Beste zu geben – nur das Allerbeste zählt! Das nehme ich mit aus China. Diese Minuten prägen mein Leben. Danke!

 

Wir sind hier knapp 30 Schüler-Innen. Einige bleiben bis zu fünf Jahre hier. Es sind Artisten oder Menschen die später in ihrer Heimat eine Kung-Fu Schule eröffnen möchten. Andere sind für ein Jahr hier und haben sich eine Auszeit genommen. Psychologin, Verkäuferin, Zahnärztin, Schaffer auf einer Ölplattform, Maschinenbauer, Pharmaassistentin, Velofahrerin. Das Team ist bunt durchmischt. Aber alle sind wir gleich in unseren Shaolin Kleidern. Wir motivieren einander, wollen als Team weiterkommen. Muskulös, schwach, gross, klein, scheu, selbstbewusst, sportlich oder unsportlich, spielt absolut keine Rolle. Fünf Minuten vor jedem Training und vor jeder Mahlzeit stehen wir in eine gerade Linie, der Shifu gibt das Zeichen und wir zählen auf chinesisch durch. Wer zu spät kommt oder eine Unordnung auf seiner Holzpritsche hat muss Liegestütze machen. Thesi kommt nie zu spät, weil sie keine 100 Liegestützen schafft J

Im Tempel nebenan bekommen wir drei Mahlzeiten. Während dem Essen wird nicht gesprochen. Alles vegetarisch. Sitze auf der Holzbank und blicke in mein «Schüsseli». Zuunterst trägt der Reis die Nudeln. D Kartoffeln liegen wie ein Schutzschild über den Nudeln. Nudeln, Reis und Kartoffeln. Schmeckt gut und gibt definitiv Energie! An anderen Tagen gibt es drei verschiedene Kohlarten. Grün in Grün. Zum Glück habe ich noch ein paar Snickers in meiner Velotasche reingeschmuggelt…aber psst!

Meine Beine und Knie schmerzen. Sie sind schwer. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich in einem Monat mit hohen Schuhen auf dem Great Himalaya Trail rauf und runter laufen soll wird mir übel. Unmöglich. Jetzt muss ich etwas tun. Die chinesische Ärztin ist gleich um die Ecke. Sie massiert mein Knie und ich halte es kaum aus. Mit dem Übersetzer gibt sie mir zu wissen, dass sie das schon hinkriege. Alle zwei Tage renne ich nun über den Mittag in ihre Praxis. Die Behandlung dauert je 2.5 Stunden und kostet 7 Franken. Sie jagt mir 17 Nadeln ins Bein, diese schliesst sie an ein Elektrogerät an, welches Impulse abgibt. Also ich finde es super unangenehm. Zum Schluss kommt eine Art Ultra heisser, brennender Mist auf das Knie, es verbrennt mich fast. Eine andere Schülerin war auch schon da und kam mit Brandblasen wieder raus. No Pain – No Game!

An meinem letzten Abend komme ich in den Genuss bei einer Teezeremonie dabei zu sein. Tee – die Medizin. Ganz vorsichtig packt die Chinesin 1000 Jahr alten Tee aus einem goldenen Papier aus. Dementsprechend gibt es auch munzig kleine Tässchen. Der Tee schmeckt gut.

Meine hundert Sachen sind gepackt für die Weiterreise. Von Kunming via Bangkok nach Kathmandu. Kompliziert aber günstig. 

Diese Zeit hier im Tempel werde ich nie vergessen. Sie hat mich geprägt!

 

Aktive Kung-Fu Grüsse aus China

Euer Thesi

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Kommentare: 4
  • #1

    Bernadette (Samstag, 23 März 2019 19:13)

    NUR WER SEIN ZIEL KENNT,
    FINDET DEN WEG.
    Laotse
    Liebe Maria-Theresia
    Du kennst dein Ziel und du wirst deinen Weg finden. Der Aufenthalt im Shaolin-Tempel hat dir Erstaunliches und Eindrucksvolles zugleich aufgezeigt, Total bewundernswert –
    ich freue mich ganz fest für dich – Gratulation!
    Jetzt geht es weiter, Tag für Tag kommst du deinem Endziel näher.
    Weiterhin möge dich das Glück begleiten, der Himmel dich beschützen.
    Mit einer liebevollen Umarmung und lieben Dank für den Blog
    Bernadette

  • #2

    Heidi (Montag, 25 März 2019 15:54)

    Liebe Thesi
    super, Du hast dieses extreme, strenge Training im Shaolin- Kloster geschafft, herzliche Gratulation! Nun weisst Du, ALLES im Leben kannst Du erreichen. Endlich bist Du in Kathmandu und darfst Dich auf die ersehnte Tour freuen. Viel Vergnügen und liebs Grüssli Heidixx

  • #3

    Monika (Montag, 25 März 2019 19:32)

    Das war ja ein anstrengender Abschluss deiner Veloreise. tough... schon das warm-up is nix für Weicheier und jetzt noch das shaolin-training. Hut ab mademoiselle, ich bin sprachlos und freue mich extrem für Dich, dass du es geschafft hast! Geniesse alles was kommt in vollen Zügen, ich glaube Du bist schon dort wo du hinwolltest.
    toi toi toi für deinen grössten Traum. monika

  • #4

    Stefan Amstad (Dienstag, 26 März 2019 13:25)

    Liebe Thesi
    Es ist immer wieder eine Bereicherung und sehr interessant an deiner Tour lesend teilnehmen zu können. Du bist wirklich eine wunderbare Person. Zieh dein Ding durch und komm dann wieder mit vielen Geschichten und Erinnerungen nach Hause. Wir wünschen dir auf deinem nächsten "Spaziergang" hoch oben auf dem Himmelsdach alles Gute, viel Glück und schicken dir ganz liebe und gute Gedanken...
    Machs guäd und bis bald wieder einisch im Bärggrind...
    Miär dänkid a dich.
    Vili liäbi Griäss
    Shayenne, Aaron, Cleide und Stefan