37. Blog - Chiang Rai, Thailand - Auf-Ein-Wiedersehen

Meine Beine zittern! Die Arme schlottern. Der Kopf glüht. Die Knie sind Butterweich. Was ist nur los?
Es ist der letzte Monat. Vier Wochen war ich nicht mehr mit Freddy unterwegs. Er testet mich!
Vier Wochen war er unter der Haube in der Besenkammer vom Arnoma Grand Bangkok Hotel. Direkt neben der Damentoilette. Logisch ist er gekränkt, der arme der! Er weiss nur nicht, dass ihm die Pause auch gut tat.
Die Speichengeister konnten sich erholen, die Pneufüsse abkühlen, Erst-Navigator Schildkröte neue Routen planen und Freddy eben verlüften. Das ist jetzt wohl die Retourkutsche! Er lässt mich zittern. Er ist der Chef! Aber wir funktionieren nur als Team!
Rein in den staubigen, heissen und lauten Nachmittagsverkehr von Bangkok. Wir schlängeln uns durch, überholen links und rechts, kommen gemeinsam in den Flow! Da ist es wieder. Das Vertrauen. Wir verstehen uns blind. Es klingt absurd, es klingt irre, es klingt vielleicht auch lustig. Ja es ist eine Taktik im Hirn aber glaubt mir, ohne das Gefühl zu Freddy wäre vieles schwieriger. Er ist ein Sattel aus bestem Leder, wunderbar geformt. Er ist aber auch ein Grundehrlicher Wegbegleiter, er hat Stil, ohne ihn würde ich keine Veloreise machen.
 

 

Wir erreichen die Busstation in der Nähe der Khao San Road. Da wo ich vorgestern mit Mama ausgestiegen bin. Wir sind von Kambodscha gekommen. Heute ist sie wieder zurück in der Schweiz. Im Moment vom Abschied war ich traurig. Sehr. Das Taxi fuhr davon, der böse, böse Flieger hat sie innert Stunden um die halb Welt gebracht. Heimwärts. Aber die erlebte Zeit die bleibt. Auf Lebzeiten. Nie werde ich dies vergessen. Mit ihr unterwegs zu sein, ist einfach grossartig. Danke Mama, haben wir gemeinsam diese Chance gepackt und sind zusammen gereist. Jetzt gehen wir wieder eigene Wege und DIE Mond verbindet uns. 

Schon verrückt, in der Minute als sie abreiste kam ein Gefühl von extremer Stärke zurück. Die Stärke alleine auf mich gestellt zu sein. Eine Mutter gibt Geborgenheit, strahlt Sicherheit aus. Ich lasse mich dann jeweils ein Stück weit in diesem Gefühl fallen und treiben, wenn sie nahe bei mir ist. Ist sie weg, kommt diese Stärke auf. Das ist nicht negativ, das ist sogar sehr positiv. Genau diese Stärke brauche ich in den nächsten Stunden. 

Bis nach Chiang Rai nehme ich den Bus. Diese 600 Kilometer bin ich vor fünf Jahren bereits gefahren. So spare ich mir diese Woche. Gibt mir eine zusätzlich in China und dieses Land kenne ich ja überhaupt nicht. 

Pünktlich um 16:00 Uhr fahre ich bei der Busstation vor. Alle Blicke wenden sich sofort zu Freddy. Vorgestern hat der eine Herr mir ein Ticket gebucht mit der Bestätigung Freddy im Bus mitnehmen zu können. Als er Freddy nun bepackt sieht, wird ihm schlecht. Schnell lade ich das Gepäck ab, dann sieht er nämlich schon viel schlanker und ranker aus. Taktik. Nützt nichts. «Sorry Miss, aber den können wir nicht mitnehmen!». Doch, doch könnt ihr!
Es wird wild telefoniert. Der Chef der Busfahrtgesellschaft am einen Draht, der Pickupdienst am anderen und der Organisator wird pronto herbestellt. Lustig. Ich weiss, dass ich heute in diesem Bus nach Chiang Rai sitzen werde, bis dorthin ist Geduld und freundliche Hartnäckigkeit gefragt. «Also, Miss, sie müssen zu der anderen Busstation am Ende der Stadt fahren, Mo Chit (Moschit)!» «Entschuldigung bitte, was für ein shit?». «MO CHIT!».

«Ach so, Mo Chit und wann muss ich dort sein?». «In einer Stunde um 17:00 Uhr».

«Das ist aber schon grad! Das schaff ich nicht. Unmöglich!». Ihr könnt euch vorstellen, dass mich ein Taxi unter keinen Umständen mitnimmt. Was mach ich jetzt nur. Auf der anderen Strassenseite beobachtet ein Tucktuck fahrer das Geschehen. Könnte er wohl…? Nein! Denk gar nicht dran! Vielleich doch.
«Also guter Herr, wenn ich einen Transport organisiere, helfen sie mir die Hälft zu zahlen?». Ich will nicht knausrig sein, aber ich fragte vorgestern drei mal nach ob das mit dem Fahrrad in Ordnung sei und er bestätigte. Verlangte eine schriftliche Bestätigung. Diese hilft mir jetzt. Er willigt ein mit dem Deal. Schnell renne ich zum Tuktukfahrer. «Können Sie mich möglichst schnell nach Mo Chit bringen?». «Klar doch, steig ein». «Das Göppeli dort hinten sollte auch noch mit». Setze ein Lächeln auf und merke, dass ich noch eine Mangofaser zwischen den Schaufelzähnen habe. Wie peinlich.
Alles passt, er fährt mich, der Preis stimmt, jetzt muss nur noch Freddy mitmachen. Ihr wisst wie gross ein Tuk Tuk in Bangkok ist? Eben! Ruck Zuck packen wir die Taschen auf den Sitz. Freddy wird hinten mit vereinten Kräften regelrecht angekettet. Auf den Knien sitze ich im Tuk Tuck und halte ihn mit beiden Händen die 45 Minütige Fahrt nach Mo Chit fest. Punkt 17:00 Uhr bin ich am Schalter. Schnell dort vorne Plattform 119. Ich rase! Mein Ticket wird von einem Arbeiter gecheckt. «Ok. To Chiang Rai! Bus fährt in zwei Stunden ab.» Was jetzt? In zwei Stunden? Lustig.
So laufe ich hin und her und bin gespannt auf die 12stündige Fahrt. Zum Glück weiss Freddy noch nichts davon.
Ein kleines Mädchen setzt sich neben das eine Pedal und dreht vorsichtig daran. Es entdeckt die Schildkröte und ist fasziniert. Ganz genau schaut sie sich alles an, steht auf und ihr Kopf reicht bis unter die Lenkerstange. Von weitem beobachte ich sie. Voller Kraft drückt sie die indische Hupe, alle schrecken auf. Ihre Mutter kommt angerannt und schlägt sie. Ich komme dazwischen und erkläre, dass es schon ok sei. Es ist ein stabiles Rad, es geht nicht kaputt! Das Mädchen kommt nicht los von Freddy. Immer wieder entdeckt sie etwas Neues. Nun die Babuschka aus Russland. Mit dem Zeigefinger tippt sie diese an, sie schwenkt sich hin und her. Sie hat das Auge für die Kleinigkeiten. Das Mädchen lehrt und erinnert mich, dass auch ich mehr Aufmerksamkeit üben muss. Die kleinen Dinge sehen. 

Der Bus fährt vor. Drei Männer in einer Art Pilotuniform inklusive Hut steigen aus. Jetzt müsst ihr nur noch Freddy wie im Flug einladen und dann kauf ich euch die Uniform ab. Sie diskutieren schon und schauen mich fragwürdig an. Moment ich übernehme mal kurz. «Sawadee Kha, to Chiang Rai, yes?! Yes perfect. Here my Ticket». Immer schön Lächlen, das sagte mir schon mein Töff-Fahrlehrer. «Schau nicht so ernst, wenn Du die Kurve nimmst, so verkrampfst Du deine Schultern. Du musst die Kurve lächelnd nehmen, automatisch senken sich die Schultern und es sieht einfach auch besser aus». Danke Hansjürg Gafner ;)
Das wende ich immer mal wieder an!

Schnell lade ich alle Taschen ab, lege meinen Rucksack und Lenkertasche schon mal auf meinen Sitz. Die Männer stehen da und diskutieren immer noch. Lustig.
Ich beginne Freddy zu hieven und habe keine Ahnung wie wir den in den winzig kleinen Stauraum bringen. Ich tue so, als könnte ich ihn kaum noch halten und ich in der nächsten Sekunde unter ihm zusammenbrechen werde…alles lächelnd…und schon kommen sie angerannt. Zack ist Freddy im Stauraum. Stauraum voll. Mit den Taschen unterlege ich noch schnell das Schaltgetriebe und Kette. Geht doch. Lächelnd bedanke ich mich und steige schon mal ein. Doppelstöcker. Uff!
Von oben beobachte ich, wie Reissäcke, Körbe und Taschen zusätzlich verstaut werden. Als Notstauraum dient die Toilette. In den nächsten zwölf Stunden gibt es einen 15-minütigen Halt. Also ja nichts trinken, weil die Bordtoilette ja überfüllt ist. Eine Art Gipfeli, oder Muffin, könnte auch ein Würstchen im Teig sein...wird verteilt.
Freddy übersteht die Fahrt ohne einen Kratzer. 
Nun sitze ich da in Chiang Rai und bin parat für die Weiterfahrt. Gute 120 Kilometer bis zur Laotischen Grenze. 
Freue mich auf diese zwei letzten Monate der Anfahrt bis zum Ausgangspunkt meines Plans.
 

Der Blog ist ab jetzt zu lang aber ich muss es euch noch unbedingt erzählen.

Erinnert ihr euch an Mayumi aus Tokio? Bestimmt. (Blog Nr. 20)

Sie hat bis heute unzählige Briefe und Pakete aus der Schweiz und dem Ausland bekommen. Grossartig. Ich danke euch ganz herzlich. Ihr gebt ihr das Gefühl nicht alleine zu sein. Das freut mich so fest. Ich kann sagen, meine Anreise hat sich alleine wegen Mayumi schon gelohnt. Ich weiss, das Leben von Mayumi hat sich durch euch verändert. Sie schreibt fleissig zurück und freut sich über jede einzelne Karte.
Damals habe ich geschrieben, sie spart an allen Ecken und Enden um jedes Jahr eine Reise zu unternehmen. Etwas Neues zu sehen. Sie hat die Welt bereist, damals als Reiseführerin für Japanische Touristen, aber eben im Eiltempo. In ihrer Küche hat es sogar eine Schilthorn-Tasse und ein kleines Kuhglöcken hängt an ihrem Fenster. Ihre Geschichte hat auch mich verändert. 

Jeden Blog übersetzt sie pikfein ins Japanische. Festes Tagesprogramm. Schwierig da er ja in Deutsch geschrieben ist und sie macht es nicht mit googletranslate, nein mit dem Dix!
Mayumi hat mich gefragt wann ich in Nepal sein werde. Ihr glaubt es kaum, ich kann es auch nicht glauben. Sie hat für dieses Jahr einen Flug nach Kathmandu gebucht!
«Maria-Theresia, ich weiss Du wirst in Kathmandu viel zu tun haben aber was meinst Du, hast Du eventuell Zeit am 15. März am Abend mit mir Dal Bhat zu essen! Es würde mich so fest freuen, Du hast neue Energie in mein Leben gebracht!»

Das rührt mich echt!

Aber klar Mayumi. Für Dich habe ich immer Zeit und die werde ich mir auch immer nehmen. Du übersetzt diese Zeilen…ich freue mich seeehr Dich zu sehen. Ein Highlight meiner Reise. Du bist immer Teil davon. Von Dir werde ich immer erzählen. Und Du weisst, ganz viele Freunde freuen sich, eines Tages Dich in der Schweiz zu sehen.
Wir warten auf Dich J
Bis bald in Kathmandu liebe Mayumi!

 

Was soll ich jetzt noch sagen? Diese Geschichte macht mich einfach glücklich. Und ich danke euch für all die Karten die ihr Mayumi geschickt habt. Ihre Adresse ist noch die gleiche ;)

 

So, auf nach Laos

Bis bald

Euer Thesi 

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Kommentare: 1
  • #1

    Seelenreise (Sonntag, 10 Februar 2019 19:23)

    So treffend und bunt hast du wieder erzählt. Ja, verbunden bleiben wir immer alle, manchmal etwas mehr bewusst, manchmal etwas weniger.

    Das ist echt schön, dass du Mayumi wieder siehst, und dann erst noch in Kathmandu. Just die letzten Tage ist sie mir durch den Sinn gegangen, weil ich ihr schon lange wieder schreiben wollte. Ihr Brief, der mit vielen schönen Briefmarken beklebt ist, liegt stets auf meinem Schreibtisch und erinnert mich. Richte ihr bitte viele liebe Grüsse aus. Ich schreibe ihr wieder....

    Hebs guet liebi Maria-Theresia und herzlich,
    Heidi