32. Blog - Cybercity, Malaysia - Der Eine tickt aus - der Andere ist ein Goldschatz!

22. November und ich radle in meinem Blog der Wirklichkeit hinterher. Mit einer Träne auf der Wange sitze ich auf dem Sofa. In Cybercity. Blicke zum Himmel. Er ist Wolkenverhangen. Monika ist vor wenigen Minuten vorbeigeflogen. Der Emirates Flieger bringt sie via Dubai zurück in die Schweiz. Wie es ist, nach langem, mit jemandem vertrauten an einem Tisch zu sitzen, dazu mehr im nächsten Blog. 

 

Zuerst möchte ich euch mitnehmen auf die Fahrt von Kulai via Kuala Lumpur nach Cybercity.

Bin früh im Sattel, habe über 130 Kilometer vor mir. Die Sonne scheint. Komme gut voran. Die Strasse wird immer verlassener, sie führt durch Palmenwälder. Praktisch kein Verkehr. So mag ich’s. Oder?
Ein Wagen hält paar hundert Meter vor mir an. Der Mann steigt aus, öffnet den Kofferraum und blickt nach hinten in meine Richtung. Warum öffnet er den Kofferraum und blickt zu mir? Sollte er nicht nach etwas suchen wenn er den Kofferraum öffnet? Da stimmt was nicht. Das ist nicht normal. Kommt mir seltsam vor.
Verlangsame mein Tempo um denken zu können bevor ich bei ihm bin. Pfefferspray hab ich in der Lenkertasche, ok! Von hinten kommt kein Auto, genügend Platz um auf Strassenmitte zu fahren, ok! Beschleunige langsam aber sicher. Richte mich auf, gerader Rücken, sichere, bestimmte Miene. Noch ein paar Meter. Fahre nun auf der Mittellinie. Sein Blick ist wütend. Er schreit mich an: «You are alone!! ALONE??!!». Dann schreit er weiter und ich verstehe kein Wort. «Nein ich fahre nicht alleine, mein Kollege ist weiter vorne!». Wie sehr wünschte ich mir ein Kollege dort vorne. Eine Lüge, vielleicht nützt es. Trete kräftiger in die Pedale. Wütend knallt er die Türe zu und fährt mir nach. Er parkiert wieder vor mir, steigt aus, rennt mir mit wild fuchtelnden Armen entgegen. Der Typ tickt aus! Ich brauche Hilfe. Blick zurück, 3 Autos nähern sich. Meine Chance. Die Situation damals in der Türkei, vor fünf Jahren, als mich ein Typ angefahren hat und belästigt, durchdringt mein Mark. Merke wie meine Knie weich werden wie Gummi, ich zittere am ganzen Körper. Bloss nichts davon zeigen!

Stelle mich mitten auf die Strasse und gebe ein Handzeichen, dass sie anhalten. Die ersten Zwei fahren weiter, der Dritte Hält an. Ein PickUp mit zwei Herren. «Könnt ihr mir helfen, der Mann dort vorne schreit mich nonstopp an, ich weiss nicht warum, ich weiss nicht was los ist». «Vielleicht schreit er sie an weil sie mitten auf der Strasse sind!». «Ich fuhr just jetzt in die Mitte um sie anhalten zu können!». «Ok, wir fahren ein paar Kilometer neben dir!». Danke! Ich bin sofort erleichtert. Der andere Mann ist extrem wütend, schüttelt den Kopf und rast davon. Das Adrenalin schiesst durch mein Körper, der Velocomputer zeigt 32km/h an. 13 Kilometer bis ins nächste Dorf. Nach 5 Kilometern überholen mich meine zwei hilfsbereiten Begleiter, winken zu und fahren davon. Echt lieb von den beiden.
Hinter der nächsten Kurve sehe ich dasselbe Auto weiter vorne von diesem Mann am Strassenrand parkiert. Gopf! Werde wütend. Was ist hier eigentlich los? Wo liegt das Problem? Ich halte an. Sehe vor mir links eine Seitenstrasse. Durch das Gebüsch leuchtet ein rotes T-Shirt. Ein kleines. Wohl von einem Kind. Perfekt! Biege ein und ein Haus steht ganz verlassen zwischen den Palmen. Die Türe offen. Zwei Autos parkiert. Spielzeug beim Eingang. Das ist gut! Parkiere Freddy unter dem Vordach, rufe ein paar hallo’s zum Fenster hinein, klopfe an die Tür und stehe schon in der Stube. Eine junge Frau kommt aus dem Zimmer und sieht mich an, als ob ich direkt aus dem Weltall gelandet bin. Irgendwie eine witzige Situation. Was soll ich sagen? «Hello, my name is Thesi and i would like to ask, if i could use your toilette?». “Aber sicher kannst Du unsere Toilette brauchen, schau hier, willst Du was trinken?”.
Als ich aus dem Kämmerchen komme, steht plötzlich auch Grosi, Kinder und ihre Schwester in der guten Stube. Ich erzähle ihr von dem Mann. «Ja die Strasse hier ist nicht sicher, sie ist verlassen und es gibt immer mal wieder Überfälle, meistens wollen sie einfach Geld! Du solltest hier nicht alleine fahren!»
Noch ein paar wenige Kilometer bis in das nächste Dorf und der Typ wartet schon auf mich. Sie zögert keinen Moment und bietet mir an, mich mit dem Motorrad zu begleiten. Meine Rettung. Auch ich zögere nicht und nehme das Angebot sehr gerne an. Kaum auf der Strasse, fährt das Auto fast schon schnaubend davon. In Ayer Hitam verabschieden wir uns und ich drücke sie einmal. Ich bin so froh, fuhr sie neben mir. Bis Muar sind es noch gute 100 Kilometer, die Gegend wieder besiedelt. Etwa so wie Interlaken – Brienz. Alles in Ordnung. Meine Schutzengel haben auch nie ihre Ruhe!

Völlig fertig aber gleichzeitig unglaublich froh finde ich eine einfache Unterkunft für die Nacht.
Die Nacht war kurz. Bereits um 06:00 Uhr fahre ich weiter. Nach 300 Metern der 6. Platte. Hinterreifen. Gestern eine, heute eine. Ja der Reifen ist durch. Zum Glück bekomme ich in Kuala Lumpur einen neuen. Direkt eingeflogen aus der Schweiz! 
Von Malacca aus nehme ich den Bus bis nach Kuala Lumpur Stadteingang. Knappe zwei Stunden. Für die 10 Kilometer bis zu den Petronas Twin Towers brauche ich auch knappe zwei Stunden. Viel Verkehr, viele Baustellen. Verfahre mich. Es wird schon langsam dunkel. Auf nach Cybercity, dort wartet Eddy und Ida auch mich. Eddy habe ich vor paar Monaten in Hiroshima, Japan getroffen. Er war auch mit dem Fahrrad on tour. Bei ihm kann ich ein paar Tage bleiben bis Monika kommt. 

Für die 33 Kilometer nehme ich die Autobahn. Hab keine andere Strasse gesehen. Doch schon, aber die war so verzwickt. Ein Moped fährt gleich auf: «Wo willst Du denn hin? Gleich beginnt es zu regnen». «Nach Cybercity, weisst Du per Zufall ob ich hier mit dem Fahrrad fahren darf?». «Also ich habe noch nie eines gesehen auf dieser Strasse, es ist Abendverkehr, es ist gefährlich, ich werde bis Cybercity neben dir fahren, du musst ein paar Mal Spur wechseln und das ist riskant, ich werde Dir helfen!». 
«Oh, das ist wirklich lieb von Dir, aber ich kann nicht so schnell fahren, will Dich nicht aufhalten, ich schaff das schon, danke!». «Weisst Du, ich habe Zeit, und mein Licht ist besser als Deines, also los!».

Er begleitet mich bis zum Eingang vom Hochhaus wo Eddy wohnt. Einfach ein Goldschatz. 90 Minuten ist er hinter mir gefahren. Einfach so. Es gibt sie überall – die herzensguten Menschen.

Jetzt warte ich auf meinen Besuch! Das ist das schönste warten überhaupt. 

 

Frohe Grüsse aus Cybercity

Euer Thesi

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Kommentare: 1
  • #1

    Seelenreise (Samstag, 24 November 2018 14:28)

    Liebe Maria-Theresia,
    Wunderbar und geschickt hast du dich durch und aus dieser Situation manövriert!!
    Zum Glück gibt es immer wieder wohlwollende Menschen auf dieser Erde.
    Alles Gute,
    Heidi