30. Blog - Jakarta - Freddy auf dem Abstellgleis!!!

Wer sucht der findet! Aber so ganz einfach ist es auch wieder nicht! 

Ich stehe in Yogyakarta am Bahnhof und will ein Zug-Ticket nach Jakarta lösen. Eins für Freddy, eins für Thesi. Für Morgen. Das ist die Ausgangslage! Nicht sonderlich kompliziert, aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass ich erst nach über 2 Stunden hier wieder wegkomme.

Die Schalterhalle ist überfüllt von Reisenden. Zu 99% Einheimische. Zum Glück habe ich mein Buch dabei. Am Abend habe ich meistens keine Energie mehr übrig zu Lesen, aber hier passts. Ich drücke den Knopf, bekomme eine Nummer und warte. Wie auf der Post. Dauert nicht lange. Knapp 2 Minuten. Hoppla, warum das jetzt? Nicht Nachfragen, ab zum Ticketschalter. «Gerne ein Ticket für nach Jakarta. Morgen mit dem 08:00 Uhr Zug. Und ich habe Freddy, mein Fahrrad mit dabei.»
«Für das Fahrrad müssen sie zuerst beim Cargo-Schalter ein Ticket lösen, dort vorne geradeaus, neben den Taxis.»

Zum Glück musste ich hier nicht eine Stunde warten. Bei den Taxis finde ich keinen Cargo-Schalter. Nur stinkende Toiletten. Wieder zurück. «Entschuldigen Sie, ich finde es nicht». 
Der Security-Mann begleitet mich – in die andere Richtung – bei den Fahrradtaxis. Ach so.
«Guten Tag, gerne ein Ticket für mein Fahrrad nach Jakarta. Morgen mit dem 08:00 Uhr Zug».

«Bitte setzen sich und füllen drei Formulare aus». Schon in der Schule bekam ich gute Noten für das Schönschreiben. Wenn jemand eine schöne Handschrift hat, gefällt mir das. Sie ist einzig, so persönlich. Mit Schrecken stelle ich fest, dass meine Handschrift so unklar daherkommt. Hab zu lange nicht mehr geschrieben. Vielleicht mal eine Karte für Mama’s Küchenwand, das war’s dann aber auch schon. Am liebsten würde ich neu beginnen. Der Mann schiebt Freddy schon mal in den Gepäckhinterhof. «Moment ähh, Morgen möchte ich gerne nach Jakarta, nicht heute und ich habe noch ein paar kleine Taschen». «Freddy wir heute einpacken».
«Was und wie wollt ihr ihn den einpacken? Kann man ihn nicht einfach in den Wagon hieven und anbinden?».
«Mit Karton umkleben, Miss».

Mit Mühe kann ich aushandeln, dass ich ihn am frühen Morgen um 06:00 Uhr bringe. Übrigens, das wenige Englisch ihrerseits und das noch weniger sprechendes indonesisch meinerseits, erschwert das Ganze! Massiv! 
«Miss, Fahrrad mit 07:00 Uhr Zug, Sie mit 08:00 Uhr Zug. Fahrrad in Jakarta, Kota ankommen, Sie in Jakarta, Gambir aussteigen!»
«Mister, ist es möglich im gleichen Zug wie Freddy zu sein und ihn in Gambir einfach aus dem Wagon nehmen?»

Sie verstehen nur Bahnhof! Mit den Stühlen bilde ich einen Zug, jeder Stuhl ist ein Wagon, setze mich auf den Einen, platziere die Lenkertasche als Symbol für Freddy auf dem anderen Stuhl. Der Stuhl-Zug hält in Jakarta Gambir, ich steige aus, laufe zum vorderen Stuhl und nehme die Lenkertasche, laufe ein paar Meter davon und winke.
Mittlerweilen sind gezählte sieben Schaffner am Pult und jeder kümmert sich um Freddy’s Ticket. Ich verstehe nichts und beobachte die Situation. Bemerkung am Rande…mir kommt Bundesbern in den Sinn.
Irgendwie ist es nach gefühlten Stunden doch möglich Freddy im selben Zug zu transportieren und sogar, ja man staune, ich kann ihn in Jakarta-Kota entgegennehmen und auch dort aussteigen. Geht doch. Wiederum wusste ich da noch nicht, das dies so nicht stimmt.
Nach vollen zwei Stunden habe ich wirklich beinahe die Geduld verloren. Freddy bekommt zwei Kleber und ich drei Tickets. Nun zurück zum Personen-Schalter, brauche ja auch noch ein Ticket. Bezahlt wird wiederum in einem anderen Gebäude und dann wieder zurück mit dem Beleg für das provisorische Ticket zu holen. Das definitive gibt es erst Morgen. Schlafe gut und Träume hin und her.

Pünktlich wie eine Schweizer Uhr stehe ich um 06:00 Uhr vor dem Cargo-Büro. Niemand da. Mit ein bisschen Hauruck bringe ich die Türe auf und stehe in der Halle. Stille. Der Staub tanzt durch das frühe Morgenlicht. Im Hinterhof entdecke ich einen Schaffner, er schläft auf der Waage. «Mister. Mister…goooood morning. Freddy is here!». Er springt auf, richtet seine zerzausten Haare und nimmt Freddy entgegen. Ich klopfe Freddy dreimal und wünsche ihm eine gute Reise. Ja klingt eigenartig. Aber ihr wisst, wir sind ein Team.
Es gibt Tage da spreche ich mit niemandem, dann hört Freddy zu. Es gibt immer wieder Entscheidungen zu treffen, niemand da zum Fragen oder diskutieren. «Freddy, hör zu, ich weiss in 15 Minuten ist es dunkel, aber die 18 Kilometer schaffen wir noch gell?! Also los, lass mich jetzt nicht im Stich!» Er würde mich nie im Stich lassen!

So ist es schon komisch, plötzlich zu wissen, dass ich eben nicht genau weiss wo er ist. Ihn habe ich immer im Auge. Er bekommt jeden Abend einen sicheren Platz.
Sitze am Fenster. Ein junger Mann setzt sich neben mich. Noch vor Abfahrt wechselt er seinen Platz, weil er weiter vorne einen Kollegen gesehen hat. Die Plätze sind wie im Flugzeug angeordnet und auf dem Ticket steht der genaue Platz. Der Zugchef kontrolliert auf seinem iPad, richtig gelesen, iPad, ob jeder am richtigen Platz sitzt.
Ein Mann in Anzug steigt zu und hat den Platz auf dem nun der junge Herr sitzt. Sie diskutieren und der Mann im Anzug setzt sich neben mich. Wir kommen schnell ins Gespräch. Heri arbeitet für die Regierung und ist zuständig für Meer und Fisch. Nach 8 Stunden Fahrt und kurz vor Gambir fragt mich Heri «brauchst Du ein Taxi?». «Das ist lieb von Dir, aber ich steige in Kota aus und fahre dann mit Freddy ins Hostel». 

«In Kota?? Da kannst Du nicht aussteigen, Gambir ist Endstation!» Und schon hält der Zug! Schnell zücke ich die drei Fahrradtickets, das provisorisches, das definitive plus Beleg hervor. Was für ein Durcheinander. «Du musst hier aussteigen, um das Fahrrad kümmern wir uns nachher!». Was??!! Der Zug fährt davon und und ich schaue ihm nach! Mir läuft der Schweiss runter, aber nicht etwas wegen den schwülen 38° Grad, ach was!
Bin mir gar nicht mehr sicher ob Freddy überhaupt in diesem Zug ist. Heri erzähle ich die ganze Story und er beginnt zu telefonieren. Wir stehen vor Mister Donut, schaue hinein und sehe wie ein kleiner Junge, mit glänzenden Augen in die Schokostreussel beisst. Es scheint, als gäbe es nichts schöneres auf der Welt als in einen Donut zu beissen. Er sieht mich, kaut genüsslich weiter und winkt mir mit klebrigen Fingern zu! Dieser Junge erwischt mich. Seine Sorglosigkeit sagt mir in Gedanken: «Chunnt scho guet!». Vielleicht sollte ich jetzt auch einen Donut essen. Heri telefoniert immer noch. Ist wohl Yogyakarta am anderen Ende? Der Zugchef? Der verschlafene Schaffner? Wie kommt er zu all den Nummern? Ein Auto fährt vor und er sagt: «Steig ein, ich weiss wo Freddy ist, auf jeden Fall nicht in Gambir und auch nicht in Kota. Nach einer Stunde Irrfahrt durch Jakarta biegen wir in einen Hinterhof.
Die Strasse endet vor dem schwarzen Gitter. Mir wird mulmig aber Heri vertraue ich. Warum? Das spüre ich einfach! Am Gitter erklärt er dem Man hin und her bis er öffnet. Ich weiss nicht recht ob es eine Abfallsammelstelle oder eine sehr arme Wohngegend ist. Männer sitzen an einem Tisch und spielen Karten. Es ist dreckig. Sehr dreckig! Tote Ratten überall. Und wer glänzt aus dem Dreck? Genau, mein Freddy. Dort hinten steht er! Alleine. Abgestellt. Wartend. Mein Herz jauchzt. 

Was für ein Glück, dass der junge Mann seinen Kollegen im Zug gesehen hat, Platz wechselte und Mister Heri neben mir sass! Ohne ihn hätte ich Freddy nicht gefunden. Als ich das Taxi zahlen wollte, setzte er einen strengen Blick auf: «Bestimmt nicht Miss. Es war mir eine Ehre ihnen zu helfen. Hier meine Karte wenn sie Hilfe brauchen. Immer alles Gute und fahren sie vorsichtig in der Stadt.» Er steigt in das Bluebird Taxi und fährt davon. Was für ein Tag!

 

Frohe Grüsse aus Jakarta

Euer Thesi

 

PS. Freddy ist übrigens schon wieder in einer Box für den morgigen Flug nach Singapur. Es wird hoffentlich der letzte Flug sein. Abgesehen vom Heimflug J

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Kommentare: 3
  • #1

    Monika (Sonntag, 04 November 2018 23:00)

    Wahnsinnsfügung dieser Mister Heri! Tolle Geschichte und so ein Schreck...wenn freddy weg...uii oje... und wieder helfen Bauchgefühl Vertrauen und Glück.
    Weiter so liebe tessi. Bis gli mo

  • #2

    Heidi (Sonntag, 11 November 2018 11:03)

    Liebe Thesi Du weisst doch , es gibt keine Zufälle !!! Freue mich für Dich, dass Du jeweils die RICHTIGEN Menschen zur RECHTEN Zeit triffst. Wünsche Dir eine gute Weiterfahrt, gib Acht auf Freddy! Sonniger Tag, werden geschützt auf dem Balkon essen und denken an Dich !

  • #3

    Heinz (Montag, 12 November 2018 15:52)

    Hallo Thesi
    Das war aber wieder mal spannend mit Freddy. Da hast du Glück gehabt, dass dein treuer Wegbegleiter nicht abhanden kam.
    Weiterhin ein tolle und spannende Reise
    Liebe Grüsse aus Magden
    PS: Denk bitte daran Vorsicht beim Fotografieren in Singapore......